Rumänien

Schock im Donaudelta

Bukarest (n-ost) - Unter den Dorfbewohnern im rumänischen Donaudelta herrscht große Panik. Mehrere Hühner und Enten im Dorf Ceamurlia de Jos sollen an der Vogelgrippe gestorben sein, so jedenfalls legen es erste Tests des rumänischen Instituts für Tierdiagnose nahe, die am Wochenende bekannt wurden. Angeblich wurde das Virus von Zugvögeln aus Sibirien und Kasachstan eingeschleppt, wo die Seuche bereits vor ein paar Monaten aufgetreten ist. Wissenschaftler befürchten, dass nun auch in Rumänien Vögel mit dem für den Menschen gefährlichen Virus H5N1 infiziert sind, an dem in Asien bereits über 60 Menschen gestorben waren. Es wären die ersten Fälle in Europa. Die Uno warnte bereits vor dem Entstehen einer globalen Grippe-Epidemie, der weltweit bis zu 150 Millionen Menschen zum Opfer fallen könnten.

Fast zeitgleich mit den Berichten aus Rumänien wurden auch aus der Westtürkei Verdachtsfälle gemeldet. Auch hier ist noch nicht klar, ob es sich tatsächlich um das für den Menschen gefährliche Virus H5N1 handelt.

Die rumänischen Behörden haben sich zu drastischen Maßnahmen entschlossen. Hilf- und Machtlos muss die Dorfbevölkerung mit ansehen, wie 45.000 Hühner und Enten, die den Bauern im Dorf gehören, nach und nach vorbeugend getötet werden.

Panik macht sich breit: „Der Hund im Hof und die Katze sind gestern gestorben”, erzählt eine Bäuerin in Ceamurlia. „Sie haben wahrscheinlich kranke Hühner gegessen”, fürchtet sie. Außer Ceamurlia wurden weitere Dörfer im rumänischen Donaudelta unter Quarantäne gestellt. Wachleute lassen niemanden mehr aus dem Dorf heraus. Wer das Wochenende über zufällig unterwegs war, darf nicht mehr zurück zu seiner Familie. Autos, Busse und eine Zuglinie, die die Gegend passiert, wurden gestoppt.
Auch in anderen Landesteilen werden Schutzmaßnahmen gegen die potentielle Vogelgrippeseuche getroffen.

In Ceamurlia werden die Dorfbewohner kollektiv gegen Grippe geimpft und von den Lokalbehörden beraten. „Wir müssen nun jeden Kontakt mit Vögeln vermeiden”, sagt eine Bäuerin. Gleichzeitig sind aber immer noch Kinder zu sehen, die im Hof neben den Hühnern spielen. „Ich habe erst gestern Hühnerbraten gegessen. Die Henne war nicht krank, ich bin mir sicher”, sagt eine andere Frau. Auch wenn man es ihnen verboten wurde, befolgen längst nicht alle die Quarantäneauflagen und baden Seite an Seite mit Vögeln in den Teichen und in der Donau.

In Bukarest und in mehreren Kreisen Rumäniens darf (lebendiges) Geflügel nicht mehr verkauft werden und im Donaudelta wurde die Jagd verboten. Die rumänischen Verdachtsfälle sollen nun in Labors in Großbritannien überprüft werden. Die Analyse der Blutproben wird noch bis zum Wochenende dauern. Noch ist also nicht sicher, ob es sich tatsächlich um Fälle von Vogelgrippe und um einen für den Menschen gefährlichen Virustyp handelt. Bulgarien und Polen haben den Geflügelimport aus Rumänien gestoppt, was den rumänischen Züchtern große Sorgen macht. Diese fürchten einen Einbruch der Preise für Geflügel und nicht wenige den Bankrott ihrer Getriebe.

Der rumänische Landwirtschaftsminister Gheorghe Flutur will die Maßnahmen zur Eindämmung einer möglichen Epidemie noch erhöhen, warnte jedoch auch, die Situation zu übertreiben und das Image des Landes zu schädigen. Bis Ende des Jahres werden über 330.000 Zugvögel in Rumänien erwartet, die kaum kontrolliert werden können.


Chronologie

-Anfang August warnt die Weltgesundheitsorganisation WHO das rumänische Gesundheitsministerium vor der Gefahr einer möglichen Verbreitung der Vogelgrippe-Seuche, nachdem Fälle in Russland und Kasachstan aufgetreten sind. Die rumänische Regierung verbietet daraufhin den Import von Geflügel aus Kasachstan, Russland und 13 weiteren Ländern.
-Ende August schickt die WHO Rumänien und Bulgarien eine Karte mit der möglichen Route der Zugvögel aus Kasachstan. Sie verläuft über das rumänische Donaudelta und entlang von Seen an der Schwarzmeerküste
-Im September kommt das rumänische Landwirtschaftsministerium zu dem Schluss, dass die Zugvögel aus Kasachstan „Rumänien nicht überfliegen”(Vasile Lupu, Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium, 30 September)
-Infolge von Warnungen in den rumänischen Medien über die Gefahr einer Vogelgrippeseuche erklärt der Wirtschaftsminister, dass er die Notwendigkeit eines Jagdverbotes überprüfen wird (6. Oktober)
-Fünf Stunden später (6. Oktober) informiert das rumänische Institut für Tierdiagnose und -gesundheit über mehrere Vogelgrippeerkrankungen bei Enten im Dorf Ceamurlia.

Ende


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