Time to say Goodbye

Liebe Leserinnen und Leser,
seit 2016 habe ich etwa 40 Kolumnen über die Ukraine geschrieben. In dieser Zeit hat Micheil Saakaschwili es geschafft, vom Gouverneur des Odessa-Gebiets zur Poroschenkos persönlicher Persona non grata zu avancieren, um dann in diesem Jahr aus der Ukraine abgeschoben zu werden.
Die Ukrainer haben die lang ersehnte Visa-Freiheit mit der EU bekommen, was die Anzahl der Kurzbesuche aus Kiew in meinem Berliner Gästezimmer deutlich erhöht hat. Mal war ich wütend (s. die Kolumne zum russischen Schriftsteller Prilepin), mal nachdenklich, mal konnte ich das Geschehene selbst nicht glauben, so skurril schien es mir.
Als zum Beispiel im Donbass plötzlich ein neuer Staat namens Kleinrussland ausgerufen wurde und große deutsche Medien ohne einen Hauch von Ironie darüber berichteten. Natürlich verschwand der neue „Staat“ bald von den Nachrichtenseiten, war er doch nichts anderes als ein PR-Gag der sogenannten Volksrepublik Donezk.
Oder als der ukrainische Sozialminister behauptete, die Ukrainer würden 50% ihres Gehalts für Essen ausgeben, weil sie so verfressen seien.
Oft waren es kleinere Themen, die ich mich Ihnen teilen wollte, weil mir dies der einzige Weg schien, von der echten Ukraine zu erzählen. Weg von den Dichotomien pro-russisch vs. pro-westlich, Krieg vs. Frieden, Sowjetnostalgie vs. Fortschritt. Es mischt sich so viel in diesem Land, so viel ist in Bewegung, in der Schwebe, auf dem Weg von A nach B, und manchmal gleich wieder zurück. Es waren Kolumnen über eine ständige Suche nach Identität und Frieden. Weder der eine noch der andere Prozess ist abgeschlossen.
Für beides bleibt immer noch Russlands Rolle entscheidend. Deswegen war es mir eine besondere Freude, lieber Maxim, in einem Tandem mit dir zu schreiben, jede zweite Woche Deine Gedanken zu Russland zu lesen. Mal darüber zu staunen, wie unterschiedlich und weit weg Russland und die Ukraine voneinander entfernt sind, trotz gemeinsamer Grenze und gemeinsamer Vergangenheit. Mal mich darüber zu erschrecken, dass trotz dieser Distanz die Entwicklungen in beiden Ländern sich oft in einander wie verzerrt spiegeln.
Aber am wertvollsten für mich war zu beobachten, dass auch mitten im Krieg eine Art Austausch über unsere Länder möglich ist, darüber, was sie wirklich bewegt. Weißt du noch, wie du geschrieben hast, die russischen Oppositionellen hätten in der Ukraine während der Maidan-Revolution eine Art Vorbild gesehen, ein „Betterrussia“?
Kaum zu glauben, aber selbst eine solche, auf den ersten Blick positive Haltung ist noch geprägt vom für Russland so typischen arroganten Blick auf die Ukraine. Es wird ständig etwas von ihr erwartet, sie wird die ganze Zeit vom sogenannten russischen Bruder kritisch beobachtet, und eine Xenia Sobtschak glaubt sogar, dem ukrainischen Präsidenten einen Rat erteilen zu müssen.
Vielleicht ist mir deswegen das Ende einer Deiner Kolumnen besonders positiv in Erinnerung geblieben: „Die Ukraine hat ihren eigenen Weg und schuldet Russland nichts, schon gar keine Vorbildfunktion. Mit der Misere im eigenen Land müssen wir schon selber klarkommen.“
Vielleicht ist es naiv mit einer Hoffnung diese Reihe abzuschließen. Ich tue es aber trotzdem. Ich hoffe, dass unsere Länder mit ihren Miseren klarkommen werden. Es wird ein langer Weg sein und oft werden gemeinsame sind Lösungen gefragt. Ich meine hier vor allem die Kampfgebiete. Solange sich Russland nicht von der Krim und aus dem Donbass zurückzieht, ist eine stabile Zukunft der Ukraine kaum denkbar. Aber ich hoffe trotzdem, dass dieser Krieg eines Tages zu Ende gehen wird, so wie jetzt unser „Gemischtes Doppel“.
Im Gemischten Doppel geben Inga Pylypchuk (Ukraine) und Maxim Kireev (Russland) im wöchentlichen Wechsel persönliche (Ein)-Blicke auf ihre Heimatländer.
Das Gemischte Doppel ist Teil des Internationalen Presseclubs Stereoscope von n-ost. Für Abonnenten immer mittwochs als Newsletter und auf ostpol.
Wenn Sie unser Gemischtes Doppel abonnieren wollen, schreiben Sie uns.
Tipps, Feedback und Anregungen aller Art bei Facebook, Twitter und an stereoscope@n-ost.org.